ZEIT ONLINE

2022-09-17 12:06:29 By : Ms. Alice Z

Fast 10.000 Kilometer und eine lange Lieferkette trennen das Unternehmen Bosch von einer Nickelmine in Guatemala , der Umweltschädigung, Korruption und Unterdrückung der indigenen Bevölkerung vorgeworfen wird. Doch jetzt scheinen es Nachrichten über die Verdachtsmomente bis in die Firmenzentrale im Stuttgarter Vorort Gerlingen geschafft zu haben: "Wir sind tief bestürzt angesichts der vorgebrachten Recherchen", schreibt eine Sprecherin von Bosch auf Nachfrage von ZEIT ONLINE. "Die Einhaltung der Menschenrechte ist für uns nicht verhandelbar." 

Gemeint sind Recherchen des Journalistenkonsortiums Forbidden Stories, an denen auch ZEIT ONLINE mitgewirkt hat. Diese haben vor einem Monat fragwürdige Aktivitäten des Schweizer Bergbaukonzerns Solway in Guatemala ans Licht gebracht: Tochterfirmen von Solway sollen in dem zentralamerikanischen Staat hohe Amtsträger bestochen, kriminelle Pläne geschmiedet und möglicherweise die Umwelt gefährdet haben – so geht es aus internen E-Mails und Dokumenten hervor, die Teil eines riesigen Datenleaks waren. Solway bestreitet die Vorwürfe. Es sei möglich, dass Material aus dem Datenleak "gefälscht, aus dem Zusammenhang gerissen oder Teil einer breitangelegten Desinformationskampagne" sei, schreibt ein Sprecher ZEIT ONLINE. Man prüfe aktuell die Authentizität der Daten. Für Fälschungen gibt es allerdings bisher keinerlei Anhaltspunkte. 

Einige deutsche Unternehmen sind angesichts der Recherchen jedenfalls alarmiert. Über Umwege könnte das Nickel aus Guatemala in weiterverarbeiteter Form auch in ihren Produkten gelandet sein – in Geschirrspülern, Autoteilen, Elektrogeräten oder Möbeln. So kauft Bosch rostfreien Stahl unter anderem von dem finnischen Unternehmen Outokumpu. Outokumpu wiederum stellte bis vor Kurzem einen Teil dieses Stahls mit Nickel aus Guatemala her. Erst nachdem Partner von ZEIT ONLINE den Stahlriesen mit den Vorwürfen gegen die Nickelmine konfrontiert hatten, stoppte Outokumpu den Import. Und schirmte damit auch seine Kunden von Vorwürfen ab: Darunter sind neben Bosch auch Siemens, Miele und Ikea. 

ZEIT ONLINE hat diese Unternehmen gefragt, welche Konsequenzen sie aus dem Skandal um ihren mittelbaren Zulieferer Solway ziehen. Siemens schickte lediglich ein generell gehaltenes Statement: "Die Achtung der Menschenrechte, der grundlegenden Arbeitnehmerrechte, des Umweltschutzes und des Verbots von Korruption sind integraler Bestandteil unseres Geschäfts", schrieb ein Sprecher. Sprecherinnen und Sprecher von Ikea, Miele und Bosch zeigten sich dagegen bestürzt über den konkreten Fall: "Wir sind zutiefst besorgt über die Umwelt- und Gesundheitsprobleme und die Korruptionsvorwürfe, die sich negativ auf die Menschen im Umfeld der Fénix-Nickelmine in Guatemala auswirken", hieß es etwa aus der Pressestelle von Ikea. Man habe von den Vorwürfen bis zum Erscheinen der Recherchen Anfang März nichts gewusst. 

Das ist bemerkenswert, denn seit Jahren berichten guatemaltekische Journalisten darüber. Forbidden Stories veröffentlichte zudem schon 2019 erstmals zu dem Thema. Neu ist nun, dass ein Datenleak die Vorwürfe mit Dokumenten untermauert. Immerhin geben Ikea, Miele und Bosch an, man habe Zulieferer wie Outokumpu um Aufklärung gebeten. Und Bosch versichert, nun "intensiv" zu prüfen, ob neben Outokumpu auch weitere Stahllieferanten Nickel aus der fraglichen Mine beziehen.  

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Bekannt war das bereits in Bezug auf das französische Unternehmen Ugitech, das die Geschäftsbeziehungen nach eigenen Angaben bereits im vergangenen Jahr kappte, sowie auf den luxemburgischen Stahlhersteller Aperam, der ankündigte, einen Importstopp zu prüfen.

Neue Recherchen von ZEIT ONLINE und Forbidden Stories deuten nun darauf hin, dass es noch weitere Verbindungen zwischen der Mine und europäischen Stahlfirmen gibt: Die Spur führt zu Thyssenkrupp , dem größten deutschen Stahlhersteller. Das zeigt eine Excel-Tabelle, die sich in den geleakten Daten befindet und die am 3. August 2020 von Angestellten des Solway-Konzerns erstellt wurde. Unter den Kunden, die dort gelistet sind, ist auch "Acciai Terni". Gemeint ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Acciai Speciali Terni (AST), die größte Stahlfabrik Italiens, die bis Januar 2022 Thyssenkrupp gehörte. Etwa 21 Millionen US-Dollar zahlte die Thyssen-Tochter der Excel-Tabelle zufolge allein zwischen Oktober und November 2019 für Nickelgemische aus Guatemala. 

Ein Sprecher von Thyssenkrupp wollte sich zu der Frage, ob der Konzern Nickelprodukte aus Guatemala bezogen hat, nicht äußern. Nach dem Verkauf der Tochterfirma habe man alle relevanten Unterlagen an den neuen Besitzer übergeben, man solle sich dorthin wenden. Doch auch der neue Besitzer, die italienische Stahlfirma Arvedi, antwortet auf mehrfache Nachfragen nicht zu Fragen nach Geschäftsbeziehungen zu Solway. Auch ob AST noch immer Nickel aus Guatemala kauft, und wen die Firma mit Stahl beliefert, bleibt unklar.  

Entfernt. Bitte bleiben Sie beim Thema. Danke, die Redaktion/rg

Der Kommentar, auf den Sie Bezug nehmen, wurde bereits entfernt.

Bergbau ist immer mit einem mehr oder minder schweren Umwelteingriff verbunden. Da dies im im Globalen Süden und in Fernost (bsp; Bayan Oboo) hauptsächlich unreguliert und wie gelesen mit einer massiven Korruption erfolgt, wäre es Zeit über ein anderes Wirtschaftssystem im Bergbau nachzudenken. Es ist dabei egal ob es nun um das Nickel aus Guatemala, das Eisen aus Brasilien (Brumadinho, Mariana), das Aluminium aus Westafrika oder die Seltenen Erden aus China sind.

Im Globalen Norden werden diese Rohstoffe dringend benötigt für die Elektrischen Geräte und die Energiewende. Es braucht deshalb in den Produktionsländern vertrauensvolle staatliche Akteure, die das Umweltmonitoring übernehmen können, so das die Umweltauswirkungen minimiert werden. Ein anderer Weg könnte sein, wieder mehr 'heimische' Rohstoffe zu fördern. Hier hat man es aber sehr oft mit klassischen NIMBY's und komplizierten (aus gutem Grund) Genehmigungsverfahren zu tun.

Da die Extraktionsökonomie allerdings auf einer hohen Eingangsinvestition (CapEx) basiert, sind die potentiellen neuen Konzepte sehr schwer umzusetzen. Es regiert nun mal das Geld und somit der 'cut-off grade'. Aber so geht es nicht weiter. Weder in Guatemala noch in sonstigen Minen auf der Welt.

Schmutzige Geschichte. Die Quelle für Nickel ist wohl auch versiegt. Schade nur, Nickel aus Russland unterliegt ja wohl Sanktionen wenn ich nicht irre.

Hoffe mal, daß die Chefredaktion demnächst die Lieferkette des angelieferten Papiers akribisch prüft, auf das nicht ein Baum aus illegaler Rodung womöglich in einer verkauften Zeitung steckt.

Hoffe mal, daß Sie irgendwann Ihre Meinung mal 100%ig ändern müssen und die Ironie genau Sie selbst trifft. Wie arrogant Menschen doch sein können.

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