Planten un Blomen – ein Streifzug durch Hamburgs grünes Herz - Hamburger Abendblatt

2022-08-20 12:59:25 By : Mr. Zeelong Qian

Abendblatt-Redakteurin Friederike Ulrich im japanischen Garten von Planten un Blomen in Hamburg.

Foto: Marcelo Hernandez / Funke Foto Services

Vor 200 Jahren wurde die Basis für die zentrale Grünanlage ​gelegt. Friederike Ulrich ​und Camilla John ​sind die 47 Hektar abgegangen.

Hamburg.  Wir starten mit Friederike Ulrich in jenem Teil, der seit 1935 den Namen Planten un Blomen trägt und zwischen Fernsehturm und CCH liegt.

Könnte es einer der Holzsessel in den malerischen Bürgergärten sein – vielleicht der unter dem Korkenzieherhaselbaum? Oder der von bunten Azaleen umgebene Aussichtsplatz auf einem Hügel oberhalb der Eulenburgwiese? Dort liegt mir ganz Planten un Blomen zu Füßen.

Vielleicht habe ich meinen Lieblingsplatz in Hamburgs bekanntestem Park aber auch noch gar nicht gefunden. Immer wieder laden schmale Pfade dazu ein, die Hauptwege zu verlassen. Sie führen zu Orten, die sonst im Verborgenen liegen: Rhododendren, deren purpurrote Blüten im Schatten mächtiger Koniferen leuchten, ein historischer Gedenkstein oder ein ruhiges Plätzchen, an dem man zu Wassergeplätscher und Entengeschnatter vor sich hin träumen kann.

Als Fan von Alster und Alstertal war ich erst selten in Planten un Blomen. Und so komme ich auf meinem Spaziergang an vielen Wegen vorbei, denen ich bei späteren Besuchen noch einmal folgen möchte. Es gibt so viel zu entdecken in der Park­anlage, die vor 200 Jahren auf dem alten Befestigungsring angelegt und im Laufe der Jahrzehnte immer wieder umgestaltet wurde. Kilometerlang kann man hier durch die Zeitschichten wandeln.

Ich starte am Eingang Tiergartenstraße und passiere gleich das jüngste Gestaltungselement des Parks: einen in den 1990er-Jahren errichteten Zaun, dessen lasergeschnittene Stelen ein besonderes Wellenmuster ergeben. Auch das Tor stammt aus der Zeit.

Zwischen 23 und 7 Uhr wird es geschlossen, das 1963 errichtete Kassenhäuschen dagegen ist dauerhaft zu. Eintritt kostet der Besuch von Planten un Blomen nicht, obwohl die Stadt für Pflege und Betrieb schon ohne Personalkosten jährlich rund 2,4 Millionen Euro ausgibt – und eigentlich noch viel mehr bräuchte. Eine Treppe zu Füßen einer ahornblättrigen Platane führt hinab in den Park.

Ich steuere direkt auf einen Feigenbusch zu. Trotz des kühlen Frühjahrs sind schon die ersten Früchte zu erkennen! In einigen Schaubeeten wurden gerade die Sommerpflanzen gesetzt. Zwei Gärtnerlehrlinge erklären mir, was da bald blühen wird: unter anderem Cosmea, Rizinus und Süßkartoffeln.

Rechts von mir liegt ein sechseckiges Wasserbecken mit Kugelskulptur. Das ist ein Relikt aus den 70er-Jahren, weiß ich von Heino Grunert, dem Planten-un-Blomen-Experten bei der Umweltbehörde. Ebenso der Eiskiosk mit seiner markanten Dachkonstruktion, für den damals das Orchideen-Café abgerissen wurde, das früher hier stand.

Vorbei an Bergenien mit lila Dolden, hellgelben Wildtulpen und pinkfarbenen Prachtspieren geht es zur Großen Wasserkaskade, die wie die kupfernen Wassereinlassungen noch aus der NS-Zeit stammt. 1935 wurde hier die erste Niederdeutsche Gartenschau ausgerichtet – „Planten un Blomen“ ist Plattdeutsch und heißt nichts anderes als „Pflanzen und Blumen“.

Ein Schwarm Goldfische hält sich nahe den Stellen auf, wo die Wasserstrahlen ins Becken treffen. Ich blicke über die abwärts verlaufende Wassertreppe, die von Beeten mit wilden Geranien, Pfingstrosen und Azaleen gesäumt ist.

Entlang der Kaskade laden schwere weiße Holzstühle zum Verweilen ein, Hamburger nennen solche Möbel „Hummelstuhl“. Hier und da haben sich Besucher darauf niedergelassen, genießen die Ruhe, lesen, dösen oder plaudern mit ihrer Begleitung. Nächstes Mal setze ich mich auch. Unter den Bäumen rechts und links der Wasserbecken winkt ein Taschentuchbaum freundlich mit seinen weißen Wedeln, als ich weitergehe.

Am Ende der Kaskade gelange ich über runde Trittstufen ans andere Ufer. Ich muss unbedingt im Hochsommer einmal wiederkommen! Das klare Wasser macht Lust, die Füße hineinzutauchen. Außerdem möchte ich erfahren, was dann am Wegesrand blüht. Ich weiß, dass sich die Gärtner um Parkleiter Matthias Olinski viele Gedanken über das jahreszeitlich wechselnde Farbenspiel der Pflanzen machen.

Ich halte mich links und komme an einer Gruppe Sumpfzypressen vorbei. Im lichtdurchfluteten Bereich unter ihnen wachsen Iris und Hornveilchen. Auch hier fallen mir die stabförmigen Lampen auf, die im ganzen Park stehen. „Zigarrenleuchten“ werden sie genannt. Von Heino Grunert habe ich erfahren, dass die Denkmalpflege an ihnen festhält, obwohl es schwierig ist, sie nach modernen Anforderungen technisch aufzurüsten. Ich finde das gut.

Wo ich mich jetzt befinde, lag früher der Zoologische Garten. Gut vorstellbar, dass die mächtigen Eichen neben mir noch aus der Zeit stammen, als der Verfasser von „Brehms Tierleben“, Alfred Brehm, hier 1863 erster Zoodirektor der Einrichtung war. Vorbei an Hemlocktannen und einer mächtigen Trauerbuche gelange ich in den Apothekergarten, in dem seit den 1990er-Jahren Heil- und Gewürzpflanzen wachsen.

Begleitet von würzigem Duft – sind es Kräuter oder die Azaleen am Wegesrand? – komme ich zu den Bürgergärten. Die weißen Mauern und das Staketentor stammen noch von 1935. Wer sich in die Bürgergärten zurückzieht und auf einem der braun gestrichenen Holzsessel niederlässt, kann eine fast meditative Stille genießen. Stadtgeräusche sind kaum zu hören.

Zierlauch, Geranien, Tulpen, Hasenglöckchen und Prärielilien in Rosa- und Lilatönen säumen den Weg, der mich an einer verwaisten Veranstaltungsfläche vorbeiführt. Hier im Sommer ein nettes Konzert, das wäre was! Ich gelange an den Parksee. Aus dem Wasser ragen die Vorrichtungen der Wasserorgel. Tatsächlich war ich noch nie auf einem der musikalisch unterlegten Wasserlichtspiele, die hier an Sommerabenden ohne Pandemie veranstaltet werden. Sobald sie wieder aufgeführt werden, muss ich das unbedingt nachholen.

Über das Wasser fällt mein Blick auf das Café Seeterrassen, für dessen Sanierung gerade Gutachten erstellt werden. Ich fände schön, wenn es bleibt. Es wurde zur Internationalen Gartenbau-Ausstellung (IGA) 1953 gebaut und ist eines der wenigen Zeugnisse aus den 1950er-Jahren im Park.

Immer wieder stößt man in Planten un Blomen auf große Informationstafeln, die über die Geschichte der Parkanlage informieren. Sie sind hier die einzigen Hinweise auf das Jubiläum, das eigentlich 2020 groß gefeiert werden sollte, coronabedingt aber abgesagt werden musste. Auch sie intensiver zu studieren ist einen neuerlichen Besuch wert.

Entlang der mit Gänseblümchen übersäten Eulenburgwiese gelange ich auf eine Anhöhe. Früher einmal stand hier eine künstliche Burgruine als Aussichtsplattform, dann der für die IGA 1953 errichtete, mit Neonröhren bestückte Philipsturm. Mir gefällt die kleine, von Azaleen und Rhododendren umgebene Terrasse besser, die es jetzt hier gibt. Hier oben wird einem bewusst, wie weitläufig Planten un Blomen tatsächlich ist. Was für ein Luxus, mitten in der Innenstadt!

Ein kleiner Abstecher führt zu einem Gedenkstein, der unter dunklen Eiben am Rande des Parks steht. Darunter sollen laut Inschrift die Gebeine von 1138 Hamburgern ruhen, die von den Franzosen nach Altona vertrieben wurden und im Winter 1813/14 gestorben sind. Hinter dem Zaun, auf der anderen Seite der St. Petersburger Straße, steht eine ehemalige Friedhofskapelle. Ein Relikt aus den lange vergangenen Zeiten, als sich hier noch die Dammtor-Friedhöfe befanden.

Am großen Spielplatz mit den nach dem Bildhauer Wido Buller benannten Bullerbergen vorbei gelange ich in den Japanischen Garten. Aufwendig beschnittene Kiefern, von großen Steinen gesäumte Wasserbecken, farbenprächtige Azaleen – ein wirklich schöner Ort, gestaltet 1990 nach einem Konzept des japanischen Landschaftsarchitekten Yoshikuni Araki. Er gilt als größter Park seiner Art in Europa. Ich setze mich auf die Holzterrasse vor dem strohgedeckten Teepavillon und beobachte, wie Enten ihre Kreise ziehen.

Drüben, im Parkteil Alter Botanischer Garten, gibt es noch einen zweiten Japanischen Landschaftsgarten, auch ihn hat Araki gestaltet, schon im Jahr 1988, mit malerischem Wasserlauf, gesäumt von Steinen, Kiefern und Azaleen. Beide Gärten liegen am überdachten Gang, der in den 1980er-Jahren als Verbindung von Dammtor-Bahnhof und Messe angelegt wurde.

Und Hamburg knabbert weiter an seinem schönsten Park: Gerade erst wurde ein Stück der Erweiterung des Kongresszentrums geopfert. Immerhin bekommt Planten un Blomen als Ausgleich eine neue Grünanlage dort, wo an der Grenze zum Alten Botanischen Garten gerade die Marseiller Straße zugeschüttet wurde …

Wir sind nun mit Friederike Ulrich im Alten Botanischen Garten unterwegs, der heute ebenfalls Teil der Gesamtanlage Planten un Blomen ist: Bewegungslos, die Panzer dicht aneinandergedrängt, hocken sie auf dem kleinen Stück Ast, das aus dem Wasser ragt. Regelmäßigen Besuchern des Alten Botanischen Gartens werden die Schildkröten im Wallgraben vertraut sein. Ich aber habe sie bislang übersehen – und bin entsprechend begeistert, sie bei ihrem Sonnenbad beobachten zu können.

Eine weitere Schildkröte entdecke ich auf einem Stein dicht am Ufer. Auch sie hockt stoisch da, trotz der Jogger und Spaziergänger in unmittelbarer Nähe. Hier, mitten in der Stadt, haben sich die Tiere offenbar mit den Parkbesuchern arrangiert. Wenige Minuten zuvor hatte sich schon ein possierliches Eichhörnchen, das am Wegesrand an einer Nuss knabberte, aus einem Meter Entfernung von mir fotografieren lassen.

Und während ich auf der Holzterrasse sitze und mich über die Schildkröten freue, kommt eine Blaumeise angeflattert. Eben hatte sie noch auf einem efeubewachsenen Baumstumpf neben mir gesessen. Jetzt fliegt sie auf mich zu, als ob sie sich auf meine Schulter setzen will. Ich mache eine unwillkürliche Bewegung, sie dreht ab und zieht sich wieder auf ihren Posten zurück. Von dort beobachtet sie mich neugierig, bevor sie wenig später davonfliegt.

Ruhe und Gelassenheit. Das scheint der Alte Botanische Garten auf Menschen und Tiere gleichermaßen auszustrahlen. Von wo aus man ihn auch betritt – von den Schaugewächshäusern kommend, vom ehemaligen Haupteingang am Stephansplatz, dem neuen Eingang am Dammtor-Bahnhof oder über die Treppen am Gorch-Fock-Wall –, taucht man unmittelbar ein in eine friedliche Atmosphäre, der auch der Lärm der großen Straßen ringsherum nichts anhaben kann.

Heute starte ich oben an den Schaugewächshäusern, die wegen Sanierungsbedarfs seit geraumer Zeit geschlossen sind. Tropenhaus, Palmfarnhaus und Subtropenhaus wurden anlässlich der IGA 1963 errichtet und besitzen eine ungewöhnliche, außenliegende Tragkon­struktion sowie eine abgestufte „Dachlandschaft“, die mit den diffizil in den Hang gearbeiteten Mittelmeerterrassen eine gestalterische Einheit bilden. Hier befindet sich die Keimzelle der Botanik in Hamburg. Der Encephalartos alten­steinii, ein hochstämmiger Palmfarn, steht hier schon seit dem 19. Jahrhundert.

Gepflanzt wurde er von Johann Georg Christian Lehmann, Professor für Naturgeschichte, der vor genau 200 Jahren an dieser Stelle der Wallanlagen einen zunächst privat geführten Botanischen Garten errichtete. Dieser zog nicht nur Pflanzensammler und Wissenschaftler an, sondern wurde auch bei den Hamburgern ein beliebtes Ausflugsziel. Dass man sich zwischen den exotischen Pflanzen in eine ferne Welt versetzt fühlt, ist auch von außen zu ahnen, wenn man die üppigen Palmwedel, mächtigen Bananenstaudenblätter und Sukkulenten in allen Größen betrachtet.

Vor den Glashäusern, die heute zur Uni gehören, wächst das Mammutblatt, dessen riesige Blätter sich bestimmt auch als Regenschirme eignen würden. Doch gerade scheint die Sonne und erwärmt den dunklen Schiefer, aus dem die Mittelmeerterrassen errichtet wurden.

Das sind ideale Bedingungen für die vielen südländischen Pflanzen, die hier wachsen, darunter Hibiskus, Feigen und Limonen. Ein weiß blühender Zitrusbaum verströmt zarten Duft. Wegen langer Stacheln sollte man den Blüten aber lieber nicht zu nahekommen.

Ich gehe die Treppen hinunter zum Wallgraben. In den Mauerritzen zeigen sich die ersten lila Blüten des Zimbelkrauts, auch den Gelben Lerchensporn entdecke ich. Auf den mit Schiefer ausgelegten Plattformen stehen einladend weiße Holzsessel. Auf einigen haben sich Parkbesucher niedergelassen. Eine Gruppe junger Leute picknickt auf einer Mauer. Auf jeden Fall sehr gesittet, ohne Alkohol und ohne Remmidemmi. Ob das an dem Wachdienst liegt, der hier mehrmals am Tag seine Runden dreht?

Der Weg führt über gemauerte Brückenstege den Hang hinunter, sodass ich die hier wachsenden Stauden, Zwiebelgewächse und Kleinsträucher aus allen Perspektiven betrachten kann: die Frühblühende Heckenkirsche und der Christusdorn, bald auch die gelben Mittagsblumen.

Zypressengleich ragt dazwischen an mehreren Stellen der aus den Rocky Mountains stammende Raketenwacholder empor. Später im Jahr werden auf den Terrassen auch seltene Kübelpflanzen blühen, etwa der Japanische Schnurbaum oder der Flanellstrauch.

Angelegt wurden die Mittelmeerterrassen nach dem Zweiten Weltkrieg von Karl Plomin, das werde ich nach meinem Spaziergang im entsprechenden Kapitel des Buches „Die Hamburger Wallanlagen – Von der Festung bis Planten un Blomen“ nachlesen. Die Autoren Hans-Helmut Poppendieck und Barbara Engelschall bescheinigen dem Garten­architekten, mit den Mittelmeerterrassen ein Meisterwerk geschaffen zu haben. Zu Recht, finde ich.

Um den alten Stadtgraben herum herrscht Grün in den unterschiedlichsten Farbtönen vor. Hängeweiden und alte Eichen spiegeln sich im Wasser. Mein Blick fällt auf die filigrane Brücke, die sich mit anmutigem Schwung über den Wallgraben spannt. Sie wurde 1963 errichtet und würde heute der modernen Sicherheitsanforderungen wegen wohl deutlich massiver gebaut werden.

Ich wende mich nach rechts und betrete eine ins Wasser hineingebaute Holzterrasse. Hier entdecke ich die Wasserschildkröten und freue mich über einen ungehinderten Blick auf die gesamte Anlage. Das Casino Esplanade im Hintergrund, das früher ein herrschaftliches Hotel war, und die ehemalige Alte Oberpostdirektion lassen erahnen, wie mondän diese Gegend früher gewesen ist.

Im Weitergehen komme ich an den zugemauerten Eingängen einer unterirdischen Bunkeranlage vorbei, deren Bau 1944 begonnen, aber nie vollendet wurde. Jetzt leben hier Fledermäuse. Auch einen Damm hat es hier gegeben, erfahre ich auf einer Schautafel. Ein Stück weiter kann man das Wasser heute auf Trittplatten überqueren – oder über eine grazil wirkende Treppenkonstruktion auf den oberen Weg steigen. Hier, am Gorch-Fock-Wall, ist plötzlich der Verkehrslärm präsent. Zumal an diesem Tag die Wasserspeier, deren Rauschen seit 1963 das der Autos übertönt, abgestellt sind.

Ich komme an der ehemaligen Bastion Rudolphus vorbei. Auf einer Plattform stehen einladend einige Holzsessel. Ich setze mich kurz und genieße den Blick auf die Mittelmeerterrassen gegenüber, hinter denen sich Gewächshäuser und das Hotelhochhaus am Congress Center Hamburg (CCH) erheben.

Nicht ohne Grund heißt das Café, das es hier seit Jahrzehnten gibt, „Schöne Aussichten“. Früher haben wir dort fröhliche Partys gefeiert. Die Zeiten sind passé. Aber einen Aperol Spritz könnte ich dort im Sommer mal trinken.

Eine Bronzetafel erinnert an den Ingenieur und Festungsbauer Johan van Valckenburgh, der die Wallanlagen ab 1620 errichtete. Ihm ist es zu verdanken, dass Hamburg den Dreißigjährigen Krieg nahezu unbeschädigt überstanden hat.

Ich gehe weiter zum alten Haupteingang am Stephansplatz, an den noch eine historische Treppenanlage erinnert. Dann schlendere ich noch eine Weile entlang der Wege, die hier vom Nickenden Milchstern, von Camassien, Anemonen und Narzissen gesäumt sind. Einen Abstecher noch zur Lehmann-Platane, dem ältesten Baum des historischen Geländes, die – wie der Farn im Gewächshaus – vom Botaniker Lehmann gepflanzt wurde: am 6. November 1821.

Dann verlasse ich zufrieden und entspannt den Park Richtung Dammtor durch den neu gestalteten Haupteingang. Schade, dass in diesem Bereich durch die laufende CCH-Erweiterung, die geplante U-4-Haltestelle und durch den Erweiterungsbau der Bucerius Law School noch ziemlich lange gebaut wird. Doch danach wird der Alte Botanische Garten hier ein würdiges Entree haben. Das ist jetzt schon zu sehen …

Jetzt geht es mit Redakteurin Camilla John und ihrem Sohn in die Großen und Kleinen Wallanlagen: Da kommt man angebrettert, E-Bike im Turbomodus, Sohn im Schlepptau, die Glacischaussee im Rücken.

Und dann: Tempo raus. Absteigen. Entspannen. Planten un Blomen, das heißt schieben oder Rad anschließen. Und es langsamer angehen lassen. Luft holen. Genießen. Dabei immer wieder Neues entdecken. Gerade hier, im lang gezogenen Teil von Planten un Blomen, in den Großen und Kleinen Wallanlagen.

Eigentlich war das erste Ziel der Spielplatz in Hanglage in den Großen Wallanlagen: Die beiden langen Rutschen, Seilbahn, Kletterspinne, dann weiterschauen, wer auf der Eisbahn im Sommer rollert oder skatet, immer mehr Richtung Millerntordamm, vorbei an dem Minigolfplatz zur Freilichtbühne wollten wir. Eigentlich, denn die Lust auf Abwärtsrennen führt uns in die andere Richtung.

Ein Vorteil des trüben Vormittags ist, dass kaum andere die Großen Wallanlagen, den südwestlichsten Teil von Planten un Blomen, zum Lustwandeln nutzen. Wir haben also freie Bahn zum Austoben, Energieloswerden zwischen Sievekingplatz und Holstenwall. Die anthrazitfarbenen Pflastersteine der Wege und Mäuerchen glänzen vom Regen, die Tulpen recken ihre langen Hälse, Bänke und Holzsessel gehören allein den Spatzen.

Weiter geht es, dem Wasserlauf nach, in Richtung Osten bis zu den Brücken am Sievekingplatz. Oben fließt der Verkehr, unten bremsen die Gedanken. Wer hier in Hochzeiten der Pandemie einmal vorbeilief, der sah plötzlich kleine Chöre dort im Freien singen, geschützt vor aufziehendem Regen.

Ein Attribut von Planten un Blomen ist, dass kaum jemand alle Orte, Standpunkte, Eingänge, Parkteile und Attraktivitäten beim vorgeschriebenen Namen nennen kann. Was überhaupt nichts ausmacht, denn somit muss man mehr beschreiben, die Augen noch offener halten, diesen gehegten, vielschichtigen Stadtgarten intensiver wahrnehmen.

So entdecken wir in den Kleinen Wallanlagen Ungeahntes. Nachdem wir die Rotklinkermauer links liegen gelassen haben, die Hinweisschilder über die grausamen Verbrechen der National­sozialisten im heutigen Untersuchungsgefängnis (Frage des Grundschülers: „Sitzen da jetzt echte Ganoven drin?“) studiert haben, fällt unser Augenmerk auf Kunst, eine Skulptur unter den Stacheldrahtrollen.

Das „krasse“ Stahlobjekt scheint sich durch eine Öffnung regelrecht durch die Wand zu drücken, viele Arme schlängeln sich in die Plastik-„Wand-Lung“ des mittlerweile verstorbenen Künstlers Friederich Werth­mann. 1963 wurde das Werk hier angebracht, anlässlich der IGA. Weiter geht es entlang der Wassertreppe, das kühle Nass, es plätschert nun nicht nur von oben.

Und plötzlich stehen wir auf der Brücke Jungiusstraße, sehen hinunter. „Krass schön, guck mal“, sagt der Sohn. Im Boden eingelassen: ein Pflasterkunstwerk. Hartmut Mumme hat einen aus dieser Perspektive gut identifizierbaren Phönix geschaffen, eine Mischung aus Pflaster- und bunten Keramiksteinen. Das Bildnis zieht sich meterlang unter der Brücke hindurch, ist auch von der anderen Seite noch zu bestaunen.

Auch nicht auf den ersten Blick sichtbar ist der Kinderladen Murmel, dessen tiefer liegendes Außengelände sich zwischen hohe Bäume des Parks schmiegt. Das Schlurfen der kleinen Gummistiefel an den Kinderfüßen dringt dennoch bis zur Brücke hoch.

Läuft man wieder hinab, sind kaum Autogeräusche zu hören, es erklingt lediglich ein entferntes Rauschen. Beim Flanieren erspäht man immer wieder das obere Drittel des Heinrich-Hertz-Turms, umrahmt vom kräftigen Grün der jahrzehntelang hier stehenden Bäume und deren Kronen.

Neben dem asphaltierten Hauptweg gibt es einige Pfade, die man erst bei mehrmaligem Spazieren wahrnimmt. Bergauf, mit kleinen Kurven, plötzlich ein unerwarteter Sitzplatz mit Ausblick. „Dieser Parkteil ist auch wesentlich romantischer“, verrät ein Parkwächter und lacht breit. „Mehr Ruhe, Sie verstehen.“

Orte für stille Momente, für innige Stunden, Zeit für Achtsam- und Zweisamkeit. Zweisamkeit pflegen in Planten un Blomen übrigens sogar Weltstars, im Mai 2016 zog es die britische Popsängerin Adele gleich zweimal während ihres Aufenthalts in den Park, Söhnchen Angelo konnte sich hier auf den Spielplätzen austoben, die Mama ließ sich zwischen ihren Konzerten von ihm auf der Drehscheibe im Kreis drehen.

Uns zieht es aber noch einmal zurück zur Skatebahn. Heute ist es schwer, sich vorzustellen, wie man hier schon gefroren hat. Bis März wird alljährlich Schlittschuh gelaufen. „Und immer waren die Pinguine besetzt“, fällt dem Kind ein. Der Pinguin, die Eislaufhilfe zum Festhalten für die Kleinsten zum Ausleihen, die hier auf 4300 Quadratmeter Eisfläche erstmals auf Kufen stehen und versuchen, mit den vorbeiflitzenden Eisläufern mitzuhalten. Durchgefrorene Hände und klamme, kalte Füße in­klusive.

Bei unserem Spaziergang zeigt sich die Sonne heute nicht mehr, wir fühlen uns nach einem warmen Tee. Schwingen uns deshalb am Gorch-Fock-Wall wieder auf die Drahtesel und radeln los, teilweise bereits bestens ausgebaute Veloruten umgeben Planten un Blomen. Der Blick auf das Grün von Hamburgs Lunge, er begleitet uns auf der Heimfahrt noch eine ganze Weile.