Hotel Chelsea in New York: Dort einchecken, wo Sid Vicious gemordet haben soll - WELT

2022-08-12 11:07:30 By : Mr. Peter Yan

D ie Kunst im „Hotel Chelsea“ ist immer noch schlecht. Bunte Gemälde mit seltsamen Motiven, ein gestreifter Regenschirm, ein Mann mit Bowlerhut und grünem Gesicht, ein Ohr in Nahaufnahme. „Großformatiges, aufdringliches Zeug“, schreibt Patti Smith schon 2010 in ihren Memoiren „Just Kids“. Die Sängerin und Autorin lebte von 1969 bis 1970 im „Hotel Chelsea“ auf der West 23rd Street in New York, gemeinsam mit ihrem damaligen Partner, dem Fotografen Robert Mapplethorpe.

Wie so viele Bewohner zahlten die beiden ihre Miete an den Hotelmanager Stanley Bard mit Kunstwerken, sodass dieser über die Jahre eine riesige Sammlung aus oft recht mittelmäßigen Arbeiten anhäufte. Diese dürfen nun ein neues Leben genießen: Seit diesem Frühling ist das legendäre „Hotel Chelsea“, das seit 2016 einer Hotelgruppe gehört, wieder vollständig für Gäste geöffnet.

Die Treppe mit dem schmiedeeisernen Geländer, das verehrte spanische Restaurant „El Quixote“, die Pyramide auf dem Dach, die einer Regisseurin mal als Studio diente: All das gibt es noch, inklusive 44 Wohnungen, die weiterhin von langjährigen Mietern bewohnt werden.

Das Hotel hat einige Eigentümerwechsel und zähe Renovierungsarbeiten hinter sich, manche Mieter provozierten Baustopps und gerichtliche Auseinandersetzungen, um ihre Wohnungen behalten zu dürfen und das Projekt Neueröffnung zu stoppen. Ihre Geschichte erzählt auch der Dokumentarfilm „Dreaming Walls: Inside The ‚Chelsea Hotel‘“, der im Februar auf der Berlinale vorgestellt wurde. Die Mieter leben nun in einem Luxushotel, in dem die größten Suiten mit Küche und Waschmaschine ausgestattet sind.

An Hausarbeiten dachten die Bewohner des „Hotel Chelsea“, dessen zwölfstöckiges Gebäude aus dem Jahr 1884 stammt, wohl eher selten. Menschen wie Leonard Cohen oder Bob Dylan lebten und arbeiteten hier, einige von ihnen wie Dylan Thomas starben hier, Andy Warhol filmte seine Muse Edie Sedgwick im Drogenrausch, und die Künstlerin Elizabeth Peyton veranstaltete ihre erste Ausstellung.

Das „Ellis Island für die Avantgarde“, wie ein Journalist es 1965 beschrieb, diente als Auffangbecken für alle, die nach New York kamen, um was zu werden – Künstler, Genies, Süchtige. Wer bei der Rezeption Milch bestellte, bekam schon mal Drogen geliefert. Heute kann man in der neuen „Lobby-Bar“ immerhin Martinis bestellen.

Im „Hotel Chelsea“ suchten Kreative und Freigeister nach einem Zuhause, Inspiration oder dem nächsten Rausch: die Mieterin Nan Breidenstein in ihrem Zimmer im Jahr 1971.

Zu den tragischen und rätselhaften Geschichten des „Hotel Chelsea“ zählt die des Punkrockers Sid Vicious und seiner Freundin Nancy Spungen. Der Bassist der Sex Pistols soll Spungen 1978 in ihrem Zimmer erstochen haben.

Die amerikanische Sängerin Janis Joplin auf dem Dach des Hotels.

Der langjährige Mitbesitzer und Manager des Hotels, Stanley Bard (r.), vermietete Zimmer per Handschlag, setzte Mietpreise nach Laune und Sympathie fest und wusste um die Bedeutung besonders erfolgreicher Bewohner wie dem Schriftsteller Arthur Miller (l.).

Fast vier Stunden lang, ziemlich öde und trotzdem ikonisch: Andy Warhol hielt in seinem Experimental-Film „Chelsea Girls“ das Leben seiner Factory-Freunde im „Hotel Chelsea“ fest. Die deutsche Sängerin Nico lieferte den Soundtrack dazu.

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