Hängebrücke im Harz: Ein Weltrekord an der Rappbodetalsperre | MDR.DE

2022-08-12 11:08:06 By : Mr. Frank Yang

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von Martin Paul, MDR SACHSEN-ANHALT

Schwindelerregende Höhe und freier Fall: Der Harz hat eine Touristen-Attraktion mehr. An der Rappbodetalsperre ist die weltweit längste Seilhängebrücke ihrer Art fertiggestellt worden. Auf 483 Metern kann man über das Tal schwanken – auch bei keiner Sicht und schlechtem Wetter. MDR SACHSEN-ANHALT hat die Hängebrücke besucht.

Zuerst lässt man den steilen Abhang, dann auch die Baumwipfel leicht schwankend hinter sich. So muss sich eine Landratte fühlen, die das erste Mal auf einer Schiffsplanke zu gehen versucht. Das Gute ist, es ist nicht wirklich abschätzbar, worauf man sich eingelassen hat, denn plötzlich steht man im wattigen Weiß.

Kleine Regentropfen glitzern überall auf den Stahlnetzen. Der schmale Laufsteg und die Stahlseile der Brückenkonstruktion verschwinden  vor und hinter einem im für diesen Ort nicht unüblichen Nebel. Der Talboden und die andere Seite sind nicht einmal zu erahnen. Es herrscht vollkommene Stille, bis auf ein unbeeindrucktes Vogelzwitschern, als ob man nicht 100 Meter mitten über der Rappbode stehen würde. Und natürlich hin und wieder ein Auto, das unerwartet auf Kopfhöhe über die nahegelegene Staumauer der Talsperre heranbraust.

Maik und Stefan Berke sind sichtlich stolz auf ihr Projekt und auf das enorme Interesse, das es hervorruft. Seit dreieinhalb Jahren planen und bauen die Brüder an der 483 Meter langen Seilhängebrücke. Direkt neben der altehrwürdigen und beeindruckenden Rappbodetalsperre, Deutschlands höchster Staumauer. Und nun ist die Hängebrücke fertiggestellt und bereit für die Besucher.

"Es ist schon ein Gefühl der Erlösung, es hat so lang gedauert", erzählt Maik Berke. "Meine größte Hoffnung ist, dass die Leute mit einem Lächeln auf den Lippen von der Brücke gehen." Denn nicht jeder kann von sich behaupten, über die weltweit längste Seilhängebrücke gelaufen zu sein. Zurzeit steht die längste Fußgängerhängebrücke im russischen Sotschi. Auch im Hundsrück, in Tirol in Österreich oder in Norwegen sind solche Konstruktionen geplant und sehr beliebt. Maik Berke will die genaue Länge seiner Brücke noch nicht verraten. "Es ist die längste Seilhängebrücke dieser Art und wir hoffen natürlich auf den Rekord. Bei uns zählt die einmalige, ununterbrochene Länge." Der 39-Jährige erklärt: "Es ist wie beim Wolkenkratzerbau. Wir wissen, dass es viele andere Projekte gibt und wollen nicht, dass sich die anderen mit ihrer Planung darauf einstellen können." Die genaue Länge wird bei der offiziellen Eröffnung am Sonntag bekannt gegeben und vielleicht winkt ja sogar ein Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde.

483 Meter lang, in 100 Metern über dem Talboden: Die Seilhängebrücke an der Rappbodetalsperre ist fertig gebaut. Besucher haben von hier aus einen einzigartigen Blick über das Rappbodetal – wenn sie etwas sehen.

483 Meter lang, in 100 Metern über dem Talboden: Die Seilhängebrücke an der Rappbodetalsperre ist fertig gebaut. Besucher haben von hier aus einen einzigartigen Blick über das Rappbodetal – wenn sie etwas sehen.

Die Schritte auf dem Gitterrost der Brücke werden mit jedem zurückgelegten Meter sicherer. Die Sicht aber nicht besser. Störend ist das in keiner Weise. Die Sinne sind auf Gleichgewicht und Hören reduziert, plötzlich ein immer lauter werdendes Pfeifen und adrenalingetriebene Jubelschreie. Kurz tauchen zwei Gestalten aus dem Nebel auf, die im Sturzflug an Stahlseilen an der Brücke vorbei, schräg über das Tal schießen. Die Brüder betreiben am gleichen Standort eine sogenannte Zipline, zwei 1.000 Meter lange Stahlseile, an denen man ins Tal rauschen kann. Aber das eigentliche Lieblingsprojekt der beiden wartet in der Mitte der Brücke.

"Meinen ersten Swing habe ich hier gemacht", erzählt Maik Berke. Eigentlich war der Pendelsprung die Uridee der Firma. Die Brüder wollten schon einmal eine Plattform für einen Pendelsprung am gleichen Standort bauen. Das Projekt konnte jedoch nicht umgesetzt werden. Deswegen starteten sie 2011 mit Segway-Touren. Und nun hat sich ihre erste Idee doch realisiert.

Über eine kleine Treppe in der Mitte der Brücke erreicht man eine Plattform. Wie eine Gondel hängt sie unter dem Laufsteg. Seilschlaufen, Sicherungsleinen und Rollen hängen von der Decke. Drei Mitarbeiter mit Sicherungsgurten und Helmen warten auf Nervenkitzel suchende Gäste. Eine Ampel leuchtet rot und bedeutet, dass man den Sprung nicht wagen darf. Florian Matzke, 31 Jahre alt, ist der Jump-Master und für die Sicherheit zuständig. Er steht hinter einem Geländer und erklärt das Prinzip: "Hier kann man sich an einer 65 Meter langen Seilschaukel in die Tiefe stürzen. Der Gast zieht den Gurt an. Der Jump-Master checkt zum ersten Mal. Der für das Zurückholen, für die Seilwinden, die Mechanik und Elektronik verantwortliche Mitarbeiter checkt den Gurt ein zweites Mal und übergibt wieder zurück an den Jump-Master. Dann wird eingehängt und los geht es."

Insgesamt drei Sekunden freien Fall kann man an dem Seilpendel erleben – für knapp 80 Euro, die Brückenüberquerung inklusive. Maik Berke erklärt die Kostenstruktur. 6 Euro kostet die Benutzung der Brücke, 4 Euro für Kinder. Bewohner der Stadt Oberharz erhalten 50 Prozent Ermäßigung.

Drei Millionen Euro haben die Brüder 2016 und 2017 in das Projekt an der Talsperre investiert, ein Teil gefördert von der Europäischen Investitionsbank. Ein Kinderspielplatz ist neben dem Brückenstartpunkt entstanden und ein Besucherzentrum direkt am Parkplatz. Wie teuer im Einzelnen der Brückenbau war, wollen sie aber nicht verraten. Seit Projektbeginn konnten fünf neue Mitarbeiter eingestellt werden. Insgesamt haben die beiden Brüder nun 25 Teammitglieder.

Und der Naturschutz? "Natürlich gab es Kritiker, aber wir haben uns zuerst mit dem Naturschutz auseinandergesetzt, bei Behörden nachgefragt und ein Fledermaus-Gutachten eingeholt", erklärt Maik Berke die Rahmenbedingungen für den Bau. "Es gab ein paar Einschränkungen, nicht bei dem Projekt aber beim Bau." Die größten Herausforderungen waren das Wetter und die Statik. Eine Spezialfirma aus Österreich hat schließlich die Konstruktion umgesetzt.

Erfahrungen mit schwierigem Baugrund hatten auch die Erbauer der Rappbodetalsperre. Direkt neben Spielplatz, dem Zugang zur Brücke und der Zipline, informiert der Urania-Verein auf einer Aussichtsterrasse über Deutschlands höchste Staumauer. Auch hier, am Kassenhäusschen zahlt man einen Eintritt. Manfred Rohrbach, früher für das SBK Wasserbau Weimar tätig, erklärt heute mit Hilfe großer Schautafeln ehrenamtlich die Geschichte der Rappbodetalsperre. "Die hatten hier die gleichen Probleme, wie die Talsperre, nämlich den schlechten Baugrund. Dafür braucht man unglaublich tiefe Fundamente", erklärt der 71-Jährige. "Seit 1963 gibt es hier unser Plateau. Und die Leute kommen, weil es hier den schönsten Blick über das Rappbodetal gibt." Aber eine Konkurrenz zum neuen Nachbarn will Rohrbach nicht sehen. "Wer technisch interessiert ist und Intresse an der Urania hat, zahlt auch den kleinen Unkostenbeitrag. Und immer wenn Gäste kommen, stelle ich erst einmal das Gemeinsame vor. Hier sind eben die zwei Highlights im Harz."

Technische Details Baujahr: 2017 Planungszeit: 3,5 Jahre Bauzeit: 10 Monate Länge frei hängend: 458 Meter (Weltrekord) Gesamtlänge: 483 Meter Pfahlgründung: 48 Zug- und Druckanker Ankerlänge: bis 27 Meter Eigengewicht: 118 Tonnen Seildurchmesser Haupttrageseil: 4 x 65 Millimeter Seildurchmesser Windseil: 2 x 36 Millimeter Zulässiges Gesamtgewicht: 245 Tonnen Regulärer Betrieb: bis Windstärke 6 Bft (39 - 49 km/h) Quelle: Harzdrenalin

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 05.05.2017 | 6:30 Uhr MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 04.05.2017 | 19:00 Uhr

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